Sonny Rollins Volume 2

Veröffentlicht am 9. Dezember 2025 um 22:39

Sonny Rollins Volume 2

Blue Note BLP 1558, 04/1957, Engineer: Rudy van Gelder, Producer: Alfred Lion

Sonny Rollins – ts; J.J. Johnson – tb; Horace Silver1; Thelonious Monk2 – p; Paul Chambers – b; Art Blakey – ds

 

Side A:

1) Why Don’t I1

2) Wail March1

3) Misterioso1,2 

 

Side B:

1) Reflections2

2) You Stepped Out Of A Dream1

3) Poor Butterfly1

 

1957: Sonny Rollins setzte genau dort an, wo er 1956 aufgehört hatte – er nahm eine Platte nach der anderen auf. Im März war er an der Westküste gewesen und hatte für Contemporary Way Out West eingespielt, dazu an anderer Stelle mehr. Im April, zurück in New York, ging er wieder für Blue Note ins Studio, um seine zweite von insgesamt vier Alben als Leader für das Label aufzunehmen.

 

Das Ergebnis, Sonny Rollins Volume 2, war ein schwereres Kaliber als das etwas routiniert klingende, hard-boppige Volume 1 (wir berichteten). Das liegt zum einen an den Titeln, Volume 2 geht deutlich ambitionierter zur Sache, zum anderen an den Mitspielern, insbesondere seinem Partner an der Front: mal keine Trompete, sondern J.J. Johnson, der große Modernisierer der Posaune und Bebop-Pionier; den Bass spielt Paul Chambers und am Schlagzeug sitzt Art Blakey. Dazu kommt noch eine dicke Überraschung in Form eines Gastauftritts von Thelonious Monk auf seinen zwei Titeln, wobei das Quintett auf Misterioso durch den ebenfalls anwesenden Horace Silver sogar zu einem Sextett erweitert wird.

 

Den Anfang machen zwei optimistische, dur-lastige Swinger von Rollins, Why Don’t I und Wail March, die insgesamt kantiger daherkommen als etwa Plain Jane und Sonnysphere auf Vol.1Wail March erinnert mit seinem Marsch-Rhythmus im Thema ein wenig an Benny Golsons Klassiker Blues March, ist aber weniger eingängig. Bei Why… übernimmt Rollins mit seinem patentfähigen, kräftigen Ton das erste Solo, Johnson das zweite; bei Wail March wird die Reihenfolge umgekehrt. Persönlich mag ich die verglichen mit Rollins/Byrd auf Vol. 1 dunklere Kombination von Rollins mit Johnsons Posaune. Gegenüber dem manchmal etwas welpenhaft übereifrigen Byrd wirkt der Bebop-Veteran merklich abgeklärter.

 

Richtige Highlights sind die beiden Monk-Nummern: Misterioso auf Seite 1 und Reflections auf Seite 2. Monk war ein begnadeter Melodiker; seine Stücke wirken beim ersten Kontakt bizarr, wie Jazz von einem anderen Planeten, gehen dann aber nicht mehr aus dem Ohr. Bei Misterioso kommt es zu einer echten Premiere: Wo sonst kann man Horace Silver und Thelonious Monk gemeinsam auf einem Titel hören? Und ist es nerdy, ihre Spielweisen miteinander zu vergleichen? Vermutlich schon, aber deswegen sind wir ja hier. Monks Spiel ist sperrig (wie seine Kompositionen) und immer ein wenig dunkel, während Silver eine regelrechte Funkmaschine ist. Alles, was er anfasst, wird zu Blues und unmittelbar eingängig, das gilt sowohl für seine Begleitung als auch für seine Soli. So wechselt Misterioso seinen Charakter wie ein Chamäleon seine Farbe, je nachdem, wer gerade am Piano sitzt. Reflections ist tiefenentspannter, versonnener und fast eleganter Monk. Der Pianist spielt hier ein wirklich schönes, langes Solo, bei dem er immer um das Thema kreist – mal weiter weg, mal ganz dicht an der Melodie.

 

Das Album schließt mit zwei Standards. You Stepped Out Of A Dream wird sehr schnell angegangen und ist mir fast schon zu heftig, weil man sehr abrupt aus der Stimmung von Reflections gerissen wird – als müsste man einen schönen Ort verlassen, an dem man gerne noch geblieben wäre. Glücklicherweise bringt das gemächlich schlendernde Poor Butterfly die Welt wieder ins Lot mit lyrischen Beiträgen von Johnson, Silver, dem Leader und einem letzten kleinen Bass-Solo von Chambers. Ein würdiger Abschluss.

 

Fazit: besser als Volume 1, die Gravitas von Saxophone Colossus bleibt aber auch hier unerreicht.

 

Musik: ****

 

Sound: Mono-Sound mit guter Balance und realistischen Klangfarben der Blasinstrumente.

 

Verfügbarkeit: Ende 2025 etwas schwierig. Wer Glück hat, findet noch ein Exemplar der 75th Anniversary Series, ansonsten bleibt vorerst nur der Gebrauchtmarkt, wo man ab gut 30€ fündig wird. Die fanzösichen DMM-Pressungen aus den 1980ern sind in der Regel okay, Japanpressungen eine Bank.

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