Gil Mellé - Patterns in Jazz

Veröffentlicht am 18. Oktober 2025 um 00:10

Gil Mellé – Patterns in Jazz

Blue Note BLP 1517; 04/1956; Engineer: Rudy van Gelder; Producer: Alfred Lion

Gil Mellé – bs; Eddie Bert – tb; Joe Cinderella – gtr; Oscar Pettiford – b; Ed Thigpen – ds.

 

Side A:

1) The Set Break

2) Weird Valley

3) The Arab Barber Blues

 

Side B:

1) Nice Question

2) Moonlight in Vermont

3) Long Ago and Far Away

 

Wie das anderer Stelle vorgestellte J.R. Monterose weicht auch das Album Patterns in Jazz des Baritonsaxofonisten Gil Mellé von Blue Notes Labelästhetik der 50er ab. Daher: Vorsicht – wer Hard Bop sucht, wird enttäuscht. Das Album klingt nach Cool Jazz, mehr nach Westküste als New York. Wüsste man es nicht besser, man hätte es eher auf Pacific Jazz vermutet als auf Blue Note.

 

Mellé war nicht nur Musiker, sondern auch ein talentierter Grafiker und Designer (er gestaltete mehrere Albumcover für Blue Note und andere Labels, das dritte Galeriebild zeigt ein Beispiel) – und eine gewisse architektonische Strenge findet man auch in seiner Musik. Sie ist nicht leidenschaftlich oder emotional packend wie der Hard Bop von Silver oder den Jazz Messengers, sondern eher nüchtern und latent kühl. Aber nicht kalt, dafür sorgen auf Patterns der unaufgeregte Ton von Mellés Baritonsax und die sanfte, geschmeidige Gitarrenarbeit von Joe Cinderella.

 

Schon ein Blick auf die Titel wie The Set Break, Weird Valley und Arab Barber Blues verrät, dass Mellé kein geradliniger Denker war: So seltsam wie die Titel ist auch die Musik, sie wirkt eher konstruiert als komponiert. Ein Beispiel: Das Thema von The Set Break besteht aus mehreren disparaten Abschnitten. Nach einer kurzen absteigenden Melodie verharrt das Stück in einem Staccato, als würde es nicht recht vorankommen, dann aber folgt das nächste melodische Fragment und es geht doch weiter. Solche Stop-and-go-Momente tauchen in ähnlicher Form auch auf anderen Stücken auf, vielleicht sind das ja die Patterns im Albumtitel. Sie klingen nach Experiment, nach musikalischer Suche und sorgen einerseits für die Sonderstellung der Platte im Labelkatalog, verleihen ihr andererseits aber auch einen verkopften Charakter. Wenigstens wechselt The Set Break während der Soli in einen straighten 4/4 Beat, sodass die Musik in Bewegung bleibt.

 

Für mich besser gelungen sind das atmosphärische Weird Valley mit einem attraktiv-verspielten Thema, das Mellé, Bert und Cinderella im Wechsel vorstellen, und der beinahe konventionelle Arab Barber Blues, ein Zwölftakter, allerdings einer mit eher zurückhaltendem Blues-Feeling.

Die Band an sich ist wirklich gut. Basslegende Oscar Pettiford und Ed Thigpen legen einen subtilen, effektiven Swing hin, der nie droht, die Songs zu dominieren, sondern den Solisten Unterstützung und Raum zur Entfaltung gibt, ohne sie zu drangsalieren.

 

Allerdings ist diese Zurückhaltung auch die Achillesferse der Platte. Alles bewegt sich in einem gleichmäßigen, recht undynamischen Midtempo-Flow, aus dem die Band nie wirklich ausbricht, weder auf Mellés Eigenkompositionen noch auf den beiden Standards am Ende von Seite 2. Man wünscht sich dann doch mehr Feuer, weil die Musik auf Dauer zu zahm ist. Wenn man nicht genau hinhört (erst dann entdeckt man nämlich die verborgenen Reize) läuft man Gefahr, wegzudösen. Der Aufnahme fehlen Disruptoren wie Horace Silver oder Art Blakey, die eine Session bei Bedarf aufmischen können.

 

Patterns in Jazz ist insgesamt keine schlechte Platte, kann mich allerdings nicht wirklich mitreissen – als Hintergrundmusik für eine smartes Dinner absolut okay, aber nicht essenziell, wenn du in dieser Hinsicht schon gut aufgestellt bist.

 

Musik: ***

 

Sound: schön ausbalancierter Klang; Baritonsaxofon, Posaune und Gitarre kommen anheimelnd warm rüber. Die Instrumente agieren allerdings mit derart gebremstem Schaum, dass die Gefahr von Übersteuerung wohl zu keinem Zeitpunkt bestand.

 

Verfügbarkeit auf Vinyl: Ultra-rar und nur gebraucht. Im Oktober 2025 gibt’s auf Discogs zwei Exemplare ab 751€. Mein Rat: für das Geld kriegst du einen Tonabnehmer, der kaum noch Wünsche offen lässt.

 

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