Lou Donaldson – Quartet, Quintet, Sextet
Blue Note BLP 1537, New York, 06 &11/52*: WOR Studios, Engineer: unbekannt; 08/54: Hackensack, Rudy van Gelder, Producer: Alfred Lion
Donaldson – as; Blue Mitchell1, Kenny Dorham – tp; Horace Silver, Elmo Hope2 – p; Gene Ramey2, Percy Heath – b; Art Taylor2, Art Blakey – ds.
Side A:
1) If I Love Again1*
2) Down Home1*
3) The Best Things in Life Are Free1*
4) Lou’s Blue2*
5) Cheek to Cheek2*
6) Sweet Juice1*
Side B:
1) The Stroller
2) Roccus2*
3) Caracas
4) Moe’s Bluff
1952 nahm Alfred Lion im Abstand von fünf Monaten Lou Donaldson zweimal auf: Im Juni mit Donaldson als einzigem Bläser, im November in einem Quintett mit dem jungen Blue Mitchell an der Trompete. Beide Sessions wurden auf dem 10’’-Album New Faces – New Sounds unter der Katalognummer BN 5021 veröffentlicht. Knapp zwei Jahre später, im August 1954, spielte Donaldson mit einem Sextett vier weitere Titel ein. Daraus resultierte unter der Nummer BN 5055 eine der letzten Veröffentlichungen Blue Notes im 10’’-Format, Lou Donaldson Sextet Vol.2. Ein irreführender Titel, denn eine Sextet Vol.1 hat es nie gegeben.
1954 waren die Tage der Veröffentlichungen im 10’’-Format jedoch gezählt. Andere Labels hatten längst begonnen, Alben als 12’’-Long Playing Records (LP) zu veröffentlichen, und im Juli 1955 zog Blue Note nach. BLP 1501, The Amazing Bud Powell Vol.1, war das erste Album im neuen Format. Allerdings holte man Powell, den tragischen Helden des Bop-Pianos, dafür nicht erneut ins Studio, sondern bediente sich im eigenen Katalog und kuratierte eine LP aus verschiedenen Sessions, um Powells klassische Aufnahmen auch den Käufern des neuen Formats zugänglich zu machen. Dem Recycling des eigenen Katalogmaterials verdanken wir auch BLP 1537: Lou Donaldson Quartet/Quintet/Sextet besteht aus Material von BN 5021 und BN 5055. Beide Alben wurden dafür um ein Stück gekürzt: BN 5021 verlor Things We Did Last Summer, bei BN 5055 fiel After You’ve Gone weg.
Seite 1 enthält die Stücke von 1952 und bietet ein wirklich kurzweiliges Programm. Kein Titel erreicht die vier Minuten, alle kommen schnell zur Sache. Es sind Jazz-Pralinchen zum schnellen Wegnaschen, bei denen für selbstgefällige solistische Exzesse schlicht kein Raum bleibt – allerdings auch nicht für größer angelegte Statements. Stilistisch geht es recht boppig zur Sache, aber man findet auch zwei Blues.
Die Stile der Protagonisten sind hier schon so ausgeprägt, dass man sie - solange man mit ihrer Musik vertraut ist - sofort erkennt. Lou Donaldson klingt 1952 bereits so, wie man ihn 15 Jahre später auf Mr. Shing-A-Ling hören wird. Er manövriert sich schwungvoll und elegant mit boppigen Linien durch alle Akkorde. Das gilt auch für Silver am Klavier und Blue Mitchell, dessen Soli auf den Titeln Down Home und The Best Things in Life are Free genauso gut von seinem Album Blue Soul auf Riverside stammen könnten.
Seite 2 bietet mit Roccus noch eine Quartettnummer von 1952; der Rest stammt aus der Session von 1954, eingespielt von einer anderen Besetzung. Kenny Dorham übernimmt die Trompete, es gibt mit Matthew Gee an der Posaune einen dritten Bläser, dazu Elmo Hope am Piano, Percy Heath am Bass und Art Blakey an den Drums. Thematisch ist das Material ähnlich, vielleicht sogar noch etwas boppiger als Seite 1, besonders auf Stücken wie The Stroller, das hier jedoch eher sprintet als spaziert, und Moe’s Bluff. Alle Stücke von 1954 sind über fünf Minuten lang, es bleibt mehr Platz für Soli.
Ein Wort zu Elmo Hope: Er war ein klassicher Bebopper und sein Stil kontrastiert deutlich zu Silver. Während Silver sich eng mit der Rhythmusgruppe verzahnt und die Solisten manchmal regelrecht pusht, baut Hope ihnen eine harmonische Brücke durch die Changes. Auch als Solisten unterscheiden sie sich. Hope phrasiert auf The Stroller in langen, komplexen Linien, Silver spielt auf Roccus eher kürzere Figuren, die er wiederholt und entwickelt.
Aber letztlich hört kein Mensch Musik, um die Stile von Musikern miteinander zu vergleichen. Zusammengefasst: Während Seite 1 von BLP1537 recht kurze und knackige Stücke bietet, gibt es auf Seite 2 ein wenig mehr Platz für die Ausgestaltung der Soli und minimal ausgefeiltere Arrangements der Themen. Ob man jetzt die eine oder andere Seite mehr mag hängt davon ab, welchen Musikern man am liebsten zuhört. Stilistisch ähneln sich beide Seiten, man erlebt also keine echte Zeitenwende, wenn man die Platte umdreht. Eine wirkliche Seltenheit hingegen, und vielleicht ein Argument, in diese Scheibe zumindest mal reinzuhören, ist die Mitwirkung von Posaunist Matthew Gee. Wenn ich richtig informiert bin, hat er nur eine einzige Aufnahme als Leader gemacht – sein Septett-Date Jazz by Gee erschien 1956 auf Riverside. Ansonsten hörte man ihn vor allem als Ensemblebläser in mehreren Bigbands. Seine Arbeit auf BN 5055 bzw. BLP 1537 ist also eine der ganz wenigen Gelegenheiten, ihn im Kontext einer kleineren Bestzung zu erleben.
Musik: *** bis ****
Sound: Session von 1952 historisch, aber okay. Auch in den WOR Studios wusste man, wie man Jazz-Combos aufnimmt. 1954 ist früher van Gelder. Besser, aber nicht um Längen; der Bass hat mehr Kontur.
Verfügbarkeit: Im Sommer 2025 sind alle (die BNs und BLP1537) nur gebraucht als Japan-Importe zu haben.
Kommentar hinzufügen
Kommentare