Lou Donaldson - Mr. Shing-A-Ling

Veröffentlicht am 22. September 2025 um 23:34

Lou Donaldson – Mr. Shing-A-Ling

Blue Note 84271, New York, 10/1967, Engineer: Rudy van Gelder, Producer: Frank Wolff

Lou Donaldson – as; Blue Mitchell – tp; Lonnie Smith – org; Jimmy ‘Fats’ Ponder – gtr; Leo Morris – ds.

 

Side A: 

1) Ode to Billie Joe 

2) The Humpback 

3) The Shadow of Your Smile

 

Side B:

1) Peepin’

2) The Kid

 

Lou Donaldson gehörte zu den echten Dauerbrennern bei Blue Note. Er war seit den frühen 50ern beim Label und spielte sich quer durch alle Stile, bewegte sich dabei immer mehr in Richtung Jukebox bzw. Tanzfläche, ohne seinen Ton und seine bluesbasierten Licks nennenswert zu verändern (siehe unten). 

 

Mitte der 60er näherte sich zumindest ein Teil des Jazz dem Soul (und später Funk) mit backbeat-lastigen Grooves wie dem Boogaloo und bluesbasierten Harmonien. Für Donaldson ideal, denn über dem unprätentiösen, leicht trägen, tanzbaren Groove konnte er lässig schlingernd seine Licks verstreuen.

 

Mr. Shing-A-Ling ist das zweite Album dieser Phase (Alligator Bogaloo war das erste). Im Grunde gibt es hier auf den vier Nummern Ode to Billie Joe, The Humpback, Peepin’ und The Kid Groove in Dauerschleife – lediglich unterbrochen durch die Vorstellung der Songthemen. Dabei ist dieser Begriff für die durchweg eher simplen Bluesriffs schon fast zu hochgestochen. Einzig The Shadow of Your Smile unterbricht den Flow mit seinem verträumten Latin-Beat.

 

Gut, dass alle Solisten – auch Lonnie Smith und Jimmy Ponder kommen regelmäßig zu Wort – völlig entspannt ein bluesiges Motiv nach dem anderen aus dem Ärmel schütteln, wobei die Soli recht demokratisch verteilt sind. Es wäre daher unfair, jemanden hervorzuheben oder herabzustufen, allerdings kann ich eine kleine Schwäche für Donaldson und Blue Mitchell nicht leugnen. Was bei manchen Alben für eine gewisse Eintönigkeit sorgen könnte – die Beschränkung auf eine musikalische Form (Blues) – entwickelt hier, besonders in den Marathons auf Seite 2 (8 und 11 Minuten lang), durch den insistierenden Groove einen hypnotischen Sog, sodass man am Ende der Platte trotz allem mit einem Gefühl der Befriedigung entlassen wird.

 

Mr. Shing-A-Ling ist vielleicht keine Aufnahme für die einsame Insel, macht aber Laune durch seine locker groovende Zugänglichkeit – quasi der diametrale Gegenpol zur kathartischen Intensität von Platten wie Coltranes Sun Ship. Perfekt zum Feierabendbier oder als anspruchsvolle Hintergrundbeschallung fürs Essen mit der Intelligenzija.

 

Musik: ****

 

Sound: Gut. Das Stereobild zeigt eine leichte Tendenz zum Ping-Pong.

 

Verfügbarkeit: Im Sommer 2025 gut, aber teuer. Teil der Blue Note Tone Poet Series.

 

P.S.: Im Jahr 1952, als New Faces - New Sounds eingespielt wurde, Donaldsons erstes Album für Blue Note, tobte noch der Krieg in Korea. 1967, dem Jahr von Mr. Shing-A-Ling, wurde die Ehe zwischen Schwarzen und Weißen legalisiert. Dazwischen lagen turbulente Zeiten. Die Sowjetunion hatte den ersten Satelliten ins All geschickt, die Kubakrise die Welt in den nuklearen Abgrund blicken lassen, Kennedy war tot und in den USA hatte sich die Bürgerrechtsbewegung formiert. Es waren Jahre der Umbrüche und Erschütterungen, aber auf eine Sache war Verlass: In der fast vergessenen Arena des Bebop zog ein mittlerweile 41-jähriger Herr noch immer stoisch seine Bahnen. Lou Donaldson mochte Jahr für Jahr neue Alben aufnehmen, aber das Vokabular, das er nutzte, hatte er vor 20 Jahren gelernt, in der Schule von Parker und Gillespie. Und für diese Konstanz, diese Unbeirrbarkeit, muss man ihn lieben. 

 

 

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