Doin' the Thing - The Horace Silver Quintet Live at the Village Gate

Veröffentlicht am 2. Oktober 2025 um 16:07

Doin’ the Thing – The Horace Silver Quintet at the Village Gate

Blue Note BST84076; 05/1961; Engineer: Rudy van Gelder; Producer: Alfred Lion

Blue Mitchell – tp; Junior Cook – ts; Horace Silver – p; Gene Taylor – b; Roy Brooks – ds.

 

Side A: 

1) Filthy McNasty 

2) Doin’ the Thing 

 

Side B:

1) Kiss me Right

2) The Gringo

3) The Theme

 

Fantastisches Live-Set einer Hard-Bop-Ikone!

 

Mit Live-Aufnahmen ist es immer so eine Sache. Oft ist der Sound schlechter als im Studio und die Qualität der Musik hängt von Faktoren ab, die man vorab nicht kontrollieren kann. Hat der Pianist gut geschlafen? Ist der Bassist nüchtern? Was macht der Tinnitus des Schlagzeugers? Wie ist das Publikum drauf? Da kann einiges schief gehen… aber es gibt eben auch die seltenen, magischen Momente, in denen die Sterne günstig stehen, wenn Band und Publikum sich gegenseitig beflügeln und zusammen abheben.

 

Doin’ the Thing ist ein solcher Moment. Das Horace Silver Quintet hatte in dieser Besetzung seit 1958 zusammengespielt und viele halten das Tandem Cook/Mitchell für die beste Frontline, die Silver jemals hatte. Gut möglich, aber diese Diskussion werde ich, wenn überhaupt, an anderer Stelle führen. Sicher ist: Die Band agiert an diesem Abend phänomenal geschlossen, jede Note sitzt.

 

Alle Stücke stammen von Silver und werden von ihm mit launigen Einschüben vorgestellt. Filthy McNasty, ein „legendärer junger Mann von zweifelhaftem Charakter“ (Silver), ist ein heftig riffender Knaller mit einem unglaublich elastisch federnden Groove. Mitchell und Cook solieren über Silvers mächtig treibendem Piano, dann liefert der Leader selber einen langen, intensiven Beitrag. Der Moll-Blues Doin’ the Thing zieht im Tempo noch weiter an und glänzt einmal mehr mit tightem Ensemblespiel. Auch Drummer Brooks darf am Ende bei einem längeren Solo zeigen, was er draufhat.

 

Kiss me Right, der attraktive Opener auf Seite 2, ist ein weiteres Stück in Moll, aber weniger hitzig. Cook, Blue Mitchell und Silver liefern Soli, wobei mir das von Mitchell, bei dem selbst auf schnellen Nummern immer ein leicht melancholischer Unterton mitzuschwingen scheint, am besten gefällt. The Gringo ist das letzte lange Stück auf dem Album. Das Thema wird mit einem Latin-Beat unterlegt, aber während der Soli – mit Ausnahme von Gene Taylor dürfen alle mal – agiert die Band in einem rasenden 4/4 Swing, das Energielevel sprengt hier die Messgrenze. The Theme, ein Chorus von Silvers Stück Cool Eyes, beschließt ein atemberaubendes Set.

 

Musik: *****

 

Sound: insgesamt gute Aufnahme trotz gelegentlicher Übersteuerung. Fesselnde Live-Atmosphäre.

 

Verfügbarkeit auf Vinyl: Gut. Neupressungen gibt es von Blue Note und, etwas billiger, von Culture Factory.

 

P.S.: Mit Donald Byrd at the Half Note Cafe und Doin’ the Thing habe ich auf NJF zwei Live-Aufnahmen von Jazz-Quintetten auf Blue Note besprochen. Es handelt sich um label-typische Hard-Bop Sessions mit beinah identischen Besetzungen und fast zeitgleich eingespielt. Aber Doin’ the Thing kriegt fünf Sterne, Half Note nur vier. Wieso? Ich will damit nicht sagen, dass Doin' the Thing zwingend mehr Genuss bereitet, im Gegenteil. Für Wohlfühlhörer oder als smarte Untermalung für eine Vernissage ist die Scheibe womöglich zu hitzig. Auch über die Qualität der Kompositionen lässt sich kaum diskutieren. Sehr wohl diskutieren kann man aber über die Band-Performance und da macht Doin’ the Thing den entscheidenden Stich. Die Platte vermittelt mir nicht mehr das Gefühl von fünf einzelnen agierenden Musikern, sondern das eines präzise abgestimmten, enorm wendigen Kollektivs. Da kommt Half Note trotz aller Qualität nicht mit und das macht Doin’ the Thing zur besseren von zwei guten Platten.

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