Kenny Burrell – Midnight Blue
Blue Note ST-84123, 01/1963, Engineer: Rudy van Gelder, Producer: Alfred Lion
Kenny Burrell – gtr; Stanley Turrentine – ts; Major Holley Jr. – b; Bill English – ds; Ray Barretto - cga*
Side A:
1) Chittlins Con Carne*
2) Mule
3) Soul Lament
4) Midnight Blue*
Side B:
1) Wavy Gravy*
2) Gee Baby Ain’t I Good To You
3) Saturday Night Blues*
Kenny Burrell hatte laut eigenener Aussage schon immer eine Schwäche für den Blues. Daher suchte er die Band, mit der er im Januar 1963 diese elegante und tiefenentspannte Session einspielte, mit Bedacht aus und verzichtete auf die amtlichen Hard Bopper aus dem Stall von Blue Note. Lediglich Stanley Turrentine und vielleicht Ray Barretto (den man gerne ins Studio holte, wenn Latin-Vibes gefragt waren) qualifizieren sich als Label-Regulars. Bassist Major Holley und Drummer Bill English waren allerdings keine unbeschriebenen Blätter, sondern gefragte Sidemen außerhalb des Blue-Note-Orbits.
Anmerkung am Rande: Blue Note ist nicht nur für seine Musik berühmt geworden, sondern auch für die stilbildenden Coverdesigns von Reid Miles. Aber selbst bei Blue Note findet man selten Alben, bei denen sich Covergestaltung und Musik so perfekt ergänzen. Die coole Eleganz der Musik spiegelt sich in dem Minimalismus und gedeckten Farben des Covers wider – beide kommen ohne Schnörkel und Aufreger aus.
Chittlins Con Carne ist eines dieser ikonischen Jazz-Themen, das vermutlich die meisten schon mal irgendwo gehört haben, ohne zu wissen, worum es sich handelt: ein Moll-gefärbter Blues mit einem leicht shuffelnden Backbeat und einem Thema, das du nach einmaligem Hören nicht mehr vergisst. Burrell und Turrentine spielen Soli, die jeden Eindruck von Belanglosigkeit vermeiden, ohne jemals zu hitzig zu werden. Damit ist der auch der Ton für das gesamte Album vorgegeben: Eine Art kontrollierte Emotionalität.
Diese Stimmung zieht sich durch das gesamte Programm. Wesentlich Unterschiede zwischen den Stücken gibt es eigentlich nur beim Tempo oder der Besetzung. Sehr langsam und fast introspektiv sind Soul Lament, das Burrell allein gehört und klingt wie eine Meditation über Melancholie, sowie Gee Baby Ain’t I Good To You, vielleicht der einzige Standard hier, der sich aber mit seinen bluesigen Untertönen perfekt ins Gesamtbild einfügt und erneut ein Vehikel ist für den nachdenklichen Burrell.
Das tiefblaue, langsame Mule ist Bassist Holley gewidmet, der das Stück mit sparsam gesetzten Noten trägt, Burrell soliert. Midnight Blue, Wavy Gravy und Saturday Night Blues ziehen im Tempo ein wenig an, aber wir sind noch immer weit davon entfernt, ins Schwitzen zu geraten. Alle bieten, wie eigentlich das gesamte Album, einen smooth groovenden Soundtrack zum letzten Glas, bevor der Laden schließt.
Es gibt an dieser extrem wohltemperierten Aufnahme tatsächlich wenig zu nörgeln. Burrell und Turrentine sind exzellente Blueser ohne Profilneurosen, keiner will den anderen ausstechen. Die Rhythmusgruppe agiert tight und mannschaftsdienlich, Barretto setzt den ein oder anderen exotischen Farbtupfer. Das Album hebt weder die Welt aus den Angeln, noch überwindet es Grenzen, dennoch lässt es einen mit einem Gefühl der Befriedigung zurück. In seiner thematischen Geschlossenheit, zurückhaltenden Eleganz und seiner Lässigkeit ist Midnight Blue die Platte, auf die sich alle einigen können. Das ideale erste Album für Jazz-Einsteiger.
Musik: *****
Sound: sehr gut – Stereobild ist allerdings zeitgemäß rechts-/linkslastig
Verfügbarkeit: Im Herbst 2025 gut, Teil der Blue Note Classic Vinyl Series.
Kommentar hinzufügen
Kommentare