Begegnung mit dem Yeti

Veröffentlicht am 13. Oktober 2025 um 19:13

Irgendwann im Sommer kam die WhatsApp... 

 

... ein Freund hatte nach einiger Überlegung seinen Rega P6 aufgerüstet. Der P6 ist ja weiß Gott keine Lusche, was hatte er sich denn geholt? Den P8? Ah, nein. Einen Transrotor. Den Zet 1 mit Konstant, Jelco Tonarm und einem Hana MC. Würde gerade in Bergisch Gladbach montiert und in ein paar Wochen geliefert. Und nach den Sommerferien dürft ihr gerne mal zum Hören vorbeikommen.

 

Ich hatte erst einmal Schnappatmung. Für Leute aus der Hefe des Volkes wie mich – und eigentlich alle um mich herum – ist so ein Dreher, dessen Preis weit nördlich von 5 k€ liegen dürfte, wie der Yeti: man hört und liest davon immer wieder mal, aber wirklich gesehen hat ihn noch niemand. Und jetzt das. Aber ich halte viel von Regas Plattenspielern und war anfangs gar nicht mal sicher, ob der Zet 1 überhaupt besser sein oder nur eine neue Sicht auf die Dinge bieten würde.

 

Um es kurz zu machen: der Zet 1 schlug den P6 nicht nur, er ionisierte ihn. Nach der ersten Scheibe, dem unvermeidlichen Brothers in Arms, hatten mindestens zwei von uns (wir waren zu dritt) zwischenzeitlich ein bisschen geflennt und nicht allein, weil wir das Album so unglaublich satt hatten. Wir waren uns einig – so hatten wir das noch nie gehört, mit dieser absoluten Autorität im Bass, diesem Überblick und einer Klarheit, von der sich frische Bergluft eine Scheibe abschneiden konnte.

 

Es heißt ja manchmal, zu viel Transparenz berge die Gefahr, zu nerven, den Zuhörer zu überwältigen. Leeres Gerede. Transparenz wie sie dir der Zet 1 liefert, bedeutet sogar weniger Stress, weil du jedes noch so kleine Detail ohne jede Mühe aus dem Mix picken kannst. Ich hatte zum Testen zwei Scheiben im Gepäck: Suedes Head Music, weil es nicht gerade ein audiophiles Schmankerl ist und ich sehen wollte, wie der Dreher mit seinem tendenziell strähnigen Klang umgeht, und Wes Montgomerys Smoking in Seattle wegen seiner großartigen Live-Atmosphäre. Besonders bei Head Music überzeugte mich der Transrotor wieder auf ganzer Linie. Von der Strähnigkeit blieb nicht viel übrig, im Gegenteil. Der Bass hatte viel mehr Gewicht und Impakt als ich das kannte, davon profitierte seltsamerweise auch der Rest des Spektrums. Alles klang entspannter. Subjektiv (vielleicht kann man das ja auch messen, aber die Möglichkeiten haben wir nicht) hatte sich durch den kräftigeren Bass die klangliche Balance der Aufnahme verschoben, sie wirkte weniger mittenlastig. Es schien, als hörten wir eine komplett neue Anlage, aber an Amp, Lautsprecher und Kabel hatte sich nichts geändert.

 

Ein Problem will ich nicht verschweigen. Kaum war ich wieder zu Hause, musste ich natürlich Head Music auflegen, klar. Hätte ich mal besser nicht getan. Verglichen mit dem, was ich noch im Ohr hatte, klang mein Pro-Ject RPM3 wie ein Spielzeug. Oh, der Bass, der Bass... Sicher, ein Rest war noch übrig, aber wo war die Kontrolle, der Durchzug, wo war die Ordnung im Klangbild? Es dauerte Wochen, bevor ich mich von dem Schock erholt hatte. Aber die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden. Heute kann ich die Grenzen meines Plattenspielers wieder akzeptieren und freue mich über das, was er gut macht. 

 

Manche Leute finden es bescheuert, 1000€ für einen Plattenspieler auszugeben. Oder überhaupt 1000€ für eine Musikanlage auszugeben, wenn du eine gute Bluetooth-Box für 200 Ocken bekommst. Reicht doch? Kommt eben drauf an. Manchen reicht es, anderen nicht. Denjenigen, die behaupten, dass eine Bluetooth-Box für 200€ ausreicht und die alles, was darüber hinausgeht, für ungezügelte Verschwendungswut halten, würde ich empfehlen, sich einfach mal eine gute Anlage anzuhören, bevor sie Kommentare zur fiskalischen Prudenz anderer absondern. Und denjenigen, die Musik lieben und genießen, muss ich nicht erklären, was ein guter Plattenspieler wert ist und wie viel er kosten darf, das kann nämlich jeder sehr gut ohne meine Hilfe entscheiden. Aber eins kann ich sicher sagen. Der Preis, den man für den Zet 1 bezahlen muss, ist keine Abzocke. Du zahlst mehr, du bekommst mehr, ganz einfach. Eine Verarbeitungsqualität, die turmhoch über einem Rega, Dual, Pro-Ject oder Thorens für 1000€ steht und ein Klang, bei dem du manchmal fast vergisst, dass du Musik von einer Konserve hörst. Ich würde niemandem raten, für den Zet 1 einen Kredit aufzunehmen oder seinen Bausparvertrag aufzulösen. Aber wenn deine Kinder nicht mehr auf der Uni sind, du ein bisschen Kohle übrig hast und dir Musik viel bedeutet, dann halte ich, ohne Scheiß, ein Gerät wie den Zet 1 für gut angelegtes Geld, denn du wirst daran jahrzehntelang Freude haben. Anders formuliert: Würde ich mir auch holen, wenn ich könnte.

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