Confession time (i) - wie ich durch einen Nebeneingang in den Speakerhimmel kam
Meine Beschäftigung mit Audio, die vor ungefähr 40 Jahren ernsthaft begann, ist zuweilen obsessiv. Was habe ich auf der Jagd nach dem audiophilen Thrill nicht schon alles ausprobiert: Ich habe an Selbstbauprojekten gefrickelt, Zubehör gekauft, Kabel getauscht, objektiv einwandfrei funktionierende Komponenten gepimpt, damit sie noch ein bisschen einwandfreier wurden. Und natürlich ständig aufgerüstet. Am schlimmsten war es mit Lautsprechern, die wechselten manchmal im Jahrestakt. Keine Ahnung, wirklich, wie viele ich in meinem Leben schon besessen habe. Doch seit drei Jahren ist das vorbei.
Dabei hatte ich den Lautsprecher, der mir die Gnade der Erlösung von der ewigen Sucherei bescheren sollte, am Anfang gar nicht auf dem Schirm. Ich war hinter den Klipsch Heresy her. Die fand ich damals richtig cool und machte einen Hörtermin bei Schluderbacher in Willich. Die Demo war gut, aber beim Rausgehen bemerkte ich einen ziemlich extravaganten (am Look scheiden sich die Geister, zwei meiner Freunde können sie nicht ausstehen) neuen Lautsprecher, die Heco BellaDonna. Ich fragte, ob ich mal kurz reinhören dürfe. Ich durfte und, weil es schnell gehen musste, spielte ich vom bereitstehenden Streamer ein Stück, das ich gut kannte: Steely Dans Everything Must Go.
Wenn ein Gerät die für dich wesentlichen Dinge richtig macht, dann spürst du das innerhalb der ersten Sekunden. Das hier war so ein Moment, es klang herausragend echt. Für mich entsteht guter Klang in den Mitten, beim Timbre der menschlichen Stimme, bei Instrumenten wie Saxofon und Trompete. Mitten sind so etwas wie die Innenverteidigung des guten Klanges – passt es hier, hast du schon fast gewonnen. Und in den Mitten versägte die BellaDonna alle.
Ein paar Wochen später: Die Belladonnen stehen in meiner Männerhöhle und ich muss ein paar Mal schlucken. Vorher habe ich nämlich über Geithain ME25 gehört, 32cm hohe Pygmäen, dagegen kommen die Hecos rüber wie Giraffen auf einem Ponyhof. Aber ausgerechnet die silberne Farbe, in meinem Umfeld Gegenstand einiger Diskussionen über Ästhetik, hilft hier. Sie sorgt nämlich dafür, dass sich die Belladonnen der Farbtemperatur ihrer Umgebung anpassen und vielleicht nicht verschwinden, aber einiges von ihrer optischen Wucht verlieren.
Beim Hören ist mir das sowieso egal, und gehört habe ich in den letzten Jahren sehr viel. Ich habe noch keine Aufnahme erlebt, bei der die Hecos keinen Spaß machen. Sie lösen fein auf, ohne zu sezieren. Sie spielen dynamisch, ohne sich tonal daneben zu benehmen wie manche Hörner. Sie spielen geschlossen wie die von mir geliebten Kleinmonitore, können im Bass aber bei Bedarf auch kräftig zupacken. Dynamisch hängen sie eh fast alles ab und die Stereodarstellung ist über jeden Zweifel erhaben. Bei guten Aufnahmen, etwa von ECM, irrlichtern Dinge wie perkussive Impulse fast gespenstisch durch meinen Raum.
Tatsächlich aber höre ich dezidiert audiophile Aufnahmen fast nie. Ich will nicht pauschal den musikalischen Gehalt solcher Einspielungen dissen, aber häufig haben wir es dabei eher mit Magerkost zu tun. Fakt ist jedenfalls: Bei einem Großteil meiner Sammlung, bei der Musik, die ich wirklich liebe, lag der Fokus nicht auf Audiophilie. Daher muss mein Lautsprecher auch dann Spaß machen, wenn die Aufnahmequalität nicht die Hauptrolle spielt. Außerdem: auch Lo-Fi kann richtig cool sein, wenn’s zur Musik passt.
Was die Klangqualität von Aufnahmen angeht, sind die Belladonnen nachsichtig wie die Lieblingsoma, nehmen alles, wie es gerade kommt. Egal ob 50er-Jazz auf Blue Note oder Riverside, Hendrix’ Third Stone from the Sun mit seinen Studio-Ferkeleien, John Frusciantes bluesiger Lo-Fi-Minimalismus auf To Clara, das ergreifende Ghosteen von Nick Cave, Suedes grell produziertes Coming Up oder die proggige Intensität auf Xanadu von Rush, um ein paar Beispiele aus den letzten Wochen zu nennen – die Hecos nerven nie, sondern ziehen dich jedesmal mit ihrem tonalen Realismus und Detailreichtum tief in die Aufnahme.
Und wahrscheinlich liegt genau in dieser Fähigkeit der Schlüssel zu meiner neu gewonnenen inneren Ruhe. Das entscheidende Attribut der Hecos ist involvierend. Sie laden dich ein, als stiller Beobachter an einer Aufnahme teilzunehmen; in den besten Momenten fühlst du dich, als hätte jemand für dich einen Stuhl ins Studio gestellt. Natürlich weiß ich, dass die Hecos trotz all ihrer Stärken nicht die besten Speaker der Welt sind. Aber seit drei Jahren höre ich so viel, dass ich keine Zeit habe, darüber groß nachzudenken.
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Volle Zustimmung 👍Was an den Bella-Donnen fasziniert, ist ihre tonale Balance. Nichts wirkt auf Dauer anstrengend oder künstlich betont – man hört stundenlang, ohne Ermüdung. Die Bella Donna trifft den seltenen Punkt zwischen analytischer Präzision und musikalischem Fluss. Der Hochton ist fein und frei von jeder Zischelei, ganz ohne den blechernen Glanz, den manche US Traditions Marken als Brillanz verkaufen. Druck hat sie trotzdem – aber mit Stil statt Getöse.